Glitterbeards Geschichte

Die Legende des Glitterbeards beruht leider auf einem tragischen Tod. Im März 2020 verstarb das Rare Mitglied James White. Der sowohl im Team als auch in der Community sehr beliebte "Jim" hinterließ eine große Lücke in den Sea of Thieves, welche nur schwer zu füllen ist. Daher war es uns wichtig, seine Geschichte in unserer Wiki Kategorie auf jeden Fall festzuhalten.

Wir raten aber jedem auf Schärfste, Glitterbeards Weg im Spiel selbst zu folgen und seine Geschichte zu erforschen. Diese Seite ist nur dafür gedacht, dass Ihr die Geschichte später nochmal nachlesen könnt. Wenn Ihr Hilfe bei dem Finden der Bücher benötigt, könnt Ihr in unserem Sea of Thieves Glitterbeard Guide ein paar Tipps holen.

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Meine Jungfernfahrt

Die Sonne erhellt einen neuen Tag und ich, Glitterbeard, segle hinaus, um ihn zu grüßen! (Mein Piratenname ist ebenfalls neu. Ich muss mich noch daran gewöhnen.) Während ich meine Gedanken auf das Pergament richte und zwischendurch den Kurs meiner kleinen Schaluppe korrigiere, wird mir staunend bewusst, wie viel in den letzten Tagen passiert ist. Noch weiss ich nicht, ob dieses Logbuch einmal meine liebgewonnenen Erinnerungen enthalten wird, die Aufzeichnungen der schlimmsten Entscheidungen meines Lebens oder etwas völlig anderes! Die erste Lektion habe ich bereits gelernt:

Wenn ich gleichzeitig schreibe und das Schiff steuere, ist meine Reise wahrscheinlich vorbei, bevor sie überhaupt angefangen hat! Ich sollte wohl lieber zunächst einen sicheren Hafen für die Nacht finden, bevor ich hier weitere Worte verliere…

Viel besser! Warm eingepackt kann ich jetzt in Ruhe erzählen, was mich dazu inspiriert hat, meinen Namen, mein Leben, mein Schicksal zu ändern. Bis vor einiger Zeit war ich noch Musiker und Kleinkünstler. Ich schlief in keiner Kajüte, sondern in einer Nische auf einem Speicher, der den Marktplatz einer quirligen Hafenstadt überblickte. Ich war nie ein reicher Mann und wollte es auch nie sein. Ich stellte meine Staffelei mal hier, mal dort auf und malte, was das Leben mir zu bieten hatte. Und die Leute bezahlten mich dafür. Wenn es in den Wintermonaten so kalt wurde, dass mir die Pinsel einfroren, zog ich mich mit meiner heißgeliebten Gitarre ins Innere zurück, um andere zu unterhalten. Auch dafür bekam ich dann und wann ein paar Münzen. Aber ehrlich gesagt, solange ich den Geschichten anderer lauschen konnte und sie meine Lieder mitsangen, hätte ich es auch umsonst getan.

Meine Lebensweise erfüllte mich mit großer Freude, aber ich wusste auch allzu gut, dass sie nur einen einzigen Pfad darstellte, den ich im Laufe meines Lebens beschreiten konnte. Während ich so spielte und malte, kam ich mit Seeleuten, Schreibern, Metzgern, Taschendieben, Schneidern und zahllosen anderen ins Gespräch, deren Leben zwar genauso erfüllend, aber dich so ganz anders war als meins. Würde der Rest meines Lebens von Musik und Kunst erfüllt sein? Wenn sich mir die Gelegenheit bot, schuldete ich es mir dann nicht, alle Wege auszuprobieren, die das Leben mir eröffnete und die anderen verwehrt blieben? Ja, auch wenn mir bei dieser Antwort ein wenig flau in der Magengegend wurde: Neue Dinge zu entdecken und auszuprobieren, auch wenn sie mir nicht immer gelangen, das war genau das Richtige für mich! Aber wo sollte ich nur anfangen?

Vielleicht war es pures Glück, vielleicht hatte das Schicksal seine Hand im Spiel, aber die Worte „Sea of Thieves“ drangen an mein Ohr, als ich mit dem Pinsel in der Hand am Dock saß. Die Seeleute sprachen von atemberaubenden Landschaften, die noch unberührt vom Städte- und Plantagenbau waren, vom endlosen, azurblauen Horizont, wo sich Gefahr und Glück die Hand reichten. Ich war kein Pirat. Ich hatte kein Schiff. Aber allein der Gedanke an ein solches Leben, frei und wild - und an die Leute, die ein solches Leben führten… Ich konnte nicht wiedersehen! Ich besitze jetzt meinen eigenen klapprigen Kahn, meine Farben sind sicher verstaut, meine Gitarre lehnt am Kartentisch. Werde ich ein erfolgreiches Piratenleben führen? Wer weiß. Aber ich werde es versuchen.

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Musik verbindet

Als ich auf die zerschmetterten Überreste meiner Schaluppe am Strand starrte, saß der Zweifel wie ein kleines Teufelchen auf meiner Schulter und drohte mich zu erdrücken. Die Insel erschien drohend inmitten eines wütenden Sturms, der mein Schiff gewaltig hin und her schüttelte. Niemand hätte ihm ausweichen können - und schon gar nicht eine Landratte wie ich. Das Traurigste war allerdings, dass beim Aufprall meine geliebte Gitarre an den Felsen zerborsten war. Ich drückte ihre lose zusammenhängenden Trümmer an mich und zupfte betrübt an einer verbleibenden Saite. Da bemerkte ich, dass hier noch jemand Musik machte. Ein Mann kam den Strand entlangspaziert, pfiff ein fröhliches Liedchen und ging auf die Überreste meines Schiffes zu. Er machte so einen sorglosen Eindruck und sein Lied war so fröhlich, dass sich meine Stimmung etwas hob. Ich grüßte ihn, entschuldigte mich für das Chaos, das ich an seinem Strand angerichtet hatte, und wir kamen ins Gespräch.

Der Fremde hieß Merrick und er war genau die Art von herzlichem, silberhaarigem Seebären, den ich auf meinen Reisen zu treffen erhofft hatte. Er beharrte darauf, dass ich keinen Gedanken mehr an meine zerschellte Schaluppe verschwenden sollte. Mysteriöse Kräfte würden sich ihrer annehmen und sie unverzüglich reparieren lassen. Ich war nicht sicher, ob ich Merrick glauben sollte, aber riet mir selbst, für alles offen zu bleiben. Immerhin war das hier ein neues Leben! Es würde noch viel mehr geben, das ich noch nicht verstand.

Merrick war so freundlich, mich in sein Lager mitzunehmen, wo ein prasselndes Feuer den kühlen Morgen etwas angenehmer werden ließ und eine Flasche Grog meine Nerven beruhigte. Zu meiner großen Freude erfuhr ich, dass auch Merrick ein Musiker war! Er hatte sich sogar eine Trommel selbst gebaut. Sie war einer der Gründe gewesen, aus denen er diese entlegene Insel aufgesucht hatte…

Seine Crew auf der Killer Whale hatte ihn hergebracht, damit er einen klaren Kopf bekommen und die Inspiration wiederfinden würde, die seine Musik derzeit so schmerzlich vermissen ließ. Das konnte ich gut nachvollziehen. Alkohol hatte zwar noch nie Wirkung auf meine kreative Schaffenskraft gezeigt, aber vielleicht war es bei Merrick anders! Schließlich hat da jeder seine eigene Herangehensweise. Ich erklärte, dass ich mich aufs Malen verstand und eines Tages die Umgebung in Bildern einfangen wollte. Daraufhin sprang Merrick sofort aufgeregt auf. Wir stiegen auf den Gipfel der Insel, damit Merrick mir das Werk eines „anderen. Künstlers“ zeigen konnte, der auf der Insel gewesen war. Zu meiner Verblüffung fand ich ringsherum alte Felsmalereien vor! Ich erklärte Merrick, wie alt diese Malereien sein mussten. Sicher erzählten sie die Geschichte eines Volks, das hier vor langer Zeit gelebt hatte. Mir war nicht bewusst, welche Folge diese Aussage haben würde.

Zurück im Lager pfiff und summte Merrick den ganzen Tag vor sich hin. Ich setzte mich in geselligem Schweigen nieder und sah ihm bei der Arbeit zu. Bei Sonnenuntergang gab er den ersten Teil eines brandneuen Seemannslieds auf seiner Trommel zum Besten, das von den „alten Stämmen“ inspiriert war, wie er sagte, und dankte mir überschwänglich. Als ich am nächsten Tag neben dem niedergebrannten Feuer erwachte, war Merrick verschwunden.

Aber er hatte mir ein Musikinstrument dagelassen, das er angefertigt haben musste, während ich schlief. „Keine Gitarre, sondern ein echtes Pirateninstrument!“, stand auf dem Zettel, den er mir hinterlassen hatte. „Du hast mich inspiriert und wir den alten „Merry“ Merrick immer als Freund haben!“ Bei allem, was ich an meinem ersten Tag auf der Sea of Thieves zu finden hoffte, gehörte ein Geschenk von einem Piraten sicher nicht dazu. Geschweige denn ein Freund. Ich nahm beides dankbar an.

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Kompagnon der Kompanie

Ich war überrascht, genau wie daheim die Vertreter der Kandelskompanien in den Außenposten zu sehen, wie sie die Arbeit anboten oder Handelsgüter von durchreisenden Piraten ankauften. Ein wenig Gold auf diese Weise zu verdienen schien viel weniger ansteinflößend, als es einem anderen Piraten abzuringen. Erst recht, wenn ich mir überlegte, wie viel ich noch zu lernen hatte. Aber wie würde ich herausfinden, welche Handelskompanie zu mir passte? Wenn ich bei den Aufgaben versagte, würde man mir bestenfalls nie wieder etwas anvertrauen. Es war mir ein Rätsel! Leute bei ihrem Treiben zu beobachten hatte mir immer Spaß gemacht, darum suchte ich mir einen Aussichtspunkt auf einer Klippe und beobachtete andere Crews und ihre Lieblingskompanien. Ein einzelner Pirat sah mich auf den Felsen und winkte mir freudig zu, bevor er in ein grünes Zelt verschwand. Sonst kümmerte sich niemand um mich und der Tag ging weiter.

Doch als ich beobachte, wie Piraten mit Kisten, Truhen und sogar Schädeln umherliefen, fiel mir die Wahl der Handelskompanie keinen Deut leichter. Als ich noch nachdachte, sah ich einen Schatten über mir. „Wenn du einen Hinterhalt planst, brauchst du ein besseres Versteck, Kumpel. Zum Beispiel jemandes Krähennest - klassisch!“ Voller Angst erklärte ich schnell, dass ich nichts dergleichen plante, aber der Pirat lachte nur und ich erkannte den Mann wieder, der mich eine Weile vorher entdeckt hatte. „Ich bin Ritchie.“ Der Mann zog seinen riesigen Hut und äffte eine Verbeugung nach. „Nicht zu verwechseln mit meinem Bruder Ha-tschö. Ja, gut, ist nicht witzig.“ Er setzte sich auf die Steine und deutete mit einem schmutzigen Finger auf die Stände und Läden. „Was die Kompanien angeht, fangen wir mal ganz von vorn an…“

Ritchie deutete auf das kleine grüne Zelt, in das er gegangen war. Dort säßen die Goldsammler, die von Juwelen und Schätzen aller Arten besessen seien. Der Handelsbund war an den Docks zu finden und bezahlte Piraten dafür, dass sie die Fracht sicher ans Ziel brachten und die vom Bund gewollten Wildtiere einfingen. Ein recht gruseliger Pavillon sei die Heimstatt des Seelenordens, einer Gruppe vin Mystikerinnen, die nach Schädeln von Untoten verlangten, die sich hier manchmal fanden. Ich war mir sicher, dass es noch viel zu lernen gab, denn ich hatte gerade von einem wilden Piraten und Anführer der Schiffsratten gehört, aber Ritchie sprang auf die Beine. „Tja, den Rest lernst du noch auf deinen Reise.  So wie die meisten“, erklärte er fröhlich. „Aber genug rumgesessen! Holen wir dir eine Seefahrt!“

Ich hatte so viele Fragen. Einen Augenblick überlegte ich, einfach zum Handelsbund zu sprinten. Frachtauslieferung klang mir sehr simpel! Doch Ritchie hatte für diesen Nachmittag andere Pläne und drängte mich zu den Goldsammlern, wo eine Gestalt sich über einen Münzstapel beugte. Er schaute hoch und ich erkannte, dass Teile seines Gesichts ebenso golden waren wie die Münzen, die er zählte. Ich fragte mich, ob er Schmerzen hatte, doch er schien mir kerngesund. „Seefahrt?“, fragte er. Nicht sehr gesprächig. Er musterte mich von oben bis unten und sprach dann weiter: „Neues Gesicht. Da. Kisten beschaffen.“ Ich nahm ihm das Pergament aus den goldbessetzten Händen und fragte mich, ob meine Unerfahrenheit wirklich so offensichtlich war. Nun, mit Glück hätte ich bald meine erste Seefahrt hinter mir!

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Mein erstes Gold

Ich hatte meine erste Seefahrt in der Hand und als Mitstreiter meinen neuen Freund Ritchie. Was ich nicht hatte, war irgendeine Ahnung, was nun zu tun war! Ritchie lotste mich zum Kapitänstisch auf seiner Schaluppe, wo ich die Seefahrt ausbreitete. Mit zwei kleinen Dolchen pinnte er sie am Tisch fest. Ritchie erklärte, dass sei Tradition, wenn mehrere Seefahrten vorgeschlagen wurden, damit größere Crews abstimmen konnten, welche am spannendsten Klang. Als nächstes studierten wir den Kartentisch des Schiffs auf der Suche nach einer Insel, die jener auf der Karte der Goldsammler glich. Ich musste noch viele Namen lernen… Endlich entdeckte ich unser Ziel, ein kleines Eiland namens Booty Isle, und markierte sie sorgfältig auf der Karte. Jetzt konnten wir in See stechen!

Unsere Reise war kurz und ereignislos und sobald er den Eindruck hatte, dass ich mit der Schaluppe zurechtkam, amüsierte Ritchie uns mit ein paar Seemannsliedern. Die über die Wellen schwebende Musik ließ mich an Merrick denken, den ersten Piraten, dem ich begegnet war. Ich fragte mich, was aus ihm geworden war. Bei der Ankunft auf Booty Isle rief Ritchie prompt ein Wettschwimmen zum Strand aus und sprang vom Bug der Schaluppe! Natürlich errang ich nur einen wenig respektablen zweiten Platz. Der Goldsammler hatte den Fundort unseres Schatzes säuberlich mit einem X markiert. Ich fragte mich derweil, woher her den überhaupt kannte.Tja, ich war vielleicht nicht der geborene Pirat, aber eine Karte lesen konnte ich! Ritchie überließ mir die Führung und ich war ihm insgeheim dafür dankbar.

Auf dem schroffen Gelände der Insel war es nicht einfach, meiner Karte zu folgen, und eine äußerst neugierige Schlange ließ mich noch einen weiteren Umweg einschlagen. Als ich schließlich sicher war, dass wir am richtigen Platz standen, packte ich mit beiden Händen die Schaufel und begann zu graben. Ich sah, wie Ritchie sich umguckte und fragte mich, was ihn so unwirsch machte. Seine Nervosität, das merkte ich jetzt, kam von den Skeletten, die sich aus der Erde herausgeben. Sie waren wohl keine Freunde gieriger Piraten, die ihren Schlummer störten. Da ich selbst keine Waffe hatte, konnte ich nur weiter graben, während Ritchie mit seinem Entermesser ein Skeletttrio abhielt. Ich war sehr froh, dass er sie schon erwartet hatte. Gerade als Ritchie das letzte Skelett vermöbelt hatte, hob ich die Kiste aus dem Sand und wir beide jubelten auf - obwohl ich sicher war, dass das in Ritchies Augen eine winzige Ausbeute war. Mein erster Schatz!

Ich sank auf die Knie, begierig darauf zu erfahren, welch schöne Dinge ich für den Goldsammler zutage fördern sollte. Der Deckel der Truhe ließ sich aber ums Verrecken nicht öffnen! Ritchie grinste und ich vermutete, dass er dieses Gefühl nur zu gut kannte. „Das Schloss kriegst du nie auf“, erklärte er. „Und die Goldsammler wissen das.“ Anscheinend hatten nur Herbert und die anderen Sammler die Schlüssel für diese versiegelten Truhen. Ich konnte die Truhe also in dieses grüne Zelt liefern oder direkt ins Meer werfen. Ich war enttäuscht, die Truhe nicht behalten zu können, aber je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr stellte ich fest, wie sehr mich allein Ritchies Gesellschaft erfreut hatte. Als die Zeit des Abschieds kam, war ich etwas traurig. „Ich bin ja oft genug hier in der Gegend“, tröstete

Ritchie. „Jetzt nimm dir dein Gold und kauf die verdammt nochmal ein Schwert!“

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Taten und Worte

Auf Golden Sands starrte ich Hugh den Goldsammler ungläubig an. „Ernsthaft?“, fragte ich langsam. „Du willst, dass ich für eine Seefahrt jetzt ZAHLE?“ Hugh zuckte mit den Schultern. „Du schaffst dir einen Ruf“, erklärte er gleichmütig. „Die Leute beginnen, den Herrn Glitterbeard und seine Beute zu erkennen.“ Er erklärte, dass er schon daran glaubte, dass seine Seefahrten zu wertvoller Beute und Profit für uns alle führen würden - aber er wollte auch eine gewisse Versicherung für sich selbst haben. „Mach dir keine Sorgen“, sprach eine vertraute Stimme hinter mir. Da stand Ritchie mit den Händen in den Taschen. „Das heißt nur, dass du so langsam mit beiden Beinen auf den Planken stehst.“ Ich war so froh, meinen Freund wiederzusehen - erst recht, als er meinte, dass er mit mir in See stechen würde -, dass ich die Seefahrt, die Hugh mir in die Hand gedrückt hatte, kaum eines zweiten Blickes würdigte.

Statt der erwarteten Karte sah das Pergament auf dem Kapitänstisch eher wie ein halbfertiges Gedicht eines besonders dichten Dichters aus. Den Inselnamen erkannte ich, aber ich sah keinen Hinweis, wo ich am Ende buddeln sollte. Doch Ritchie bestand darauf, dass am Ende alles einen Sinn ergeben würde… Als wir uns Smuggler`s Bay näherten begannen mehr Wörter über das Pergament zu treiben wie Rauch! Ein weiterer Teil des Rätsels erschloss sich mir direkt vor meinen Augen. Dass die Goldsammler solche arkanen Fähigkeiten hatten, hätte ich mir nie träumen lassen. Aber so langsam gewöhnte ich mich an die Überraschung und studierte die Schriftrolle. Wer immer das auch verfasst hatte: Deren mangelhaftes Reimverständnis wies uns zum Nordstrand. Und los gingen wir…

Es war ein langer Marsch am Hang von Smuggler`s Bay entlang, also nutzte ich die Gelegenheit, um Ritchie zu fragen, wie es ihm seit unserer letzten Segelfahrt ergangen war.

„Ach, du weißt, wie es is“, erklärte er freimütig. „Ich lebe und ich muss nicht mit den Münzen geizen, wenn ich etwas haben will. Das Leben ist gut.“ Ich spürte, dass Ritchie noch mehr sagen wollte. Einen Augenblick lang dachte ich, er würde es tun, aber wir verblieben schweigend. „Diesen Ort sollte ich malen.“ Mir war nicht mal bewusst, dass ich das laut gesagt hatte, aber Ritchie schaute mich erstaunt an. Dann blickte er sich auf der Insel um, als sähe er sie zum ersten Mal. „Das solltest du“, setzte er an, „denn…“ Und genau da standen die ersten Skelette um uns herum auf und die Zeit fürs Staunen war vorüber.

Das Rätsel gab das letzte Geheimnis preis und wir hatten mit unserem Fang fast das Schiff erreicht, als ich etwas im Sonnenlicht glänzen sah. Das überraschte mich - ich dachte, wir hätten unseren Schatz gefunden. Aber ich lief hinüber, nur für den Fall, dass eine andere Crew etwas übersehen hatte. Und tatsächlich lag da eine Schatztruhe im flachen Wasser, von einfacher Machart, fast uninteressant - bis mir auffiel, dass sie kein Goldsammlerschloss zierte! In der Truhe lagen einige Goldmünzen, die wir gleich aufteilten, und zwei prächtige Relikte, bei denen Ritchie sicher war, dass Hugh sie gern nehmen würde. Die Kiste selbst beschloss ich zu behalten, um in Zukunft leichter Dinge zum Schiff schleppen zu können. Die Sea of Thieves änderte sich wohl für Piraten ebenso wie für Goldsammler!

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Gefiederte Freunde

Es war ein nebliger Tag im Außenposten und dank meinen neuen Besitztümern fühlte ich mich gleich ein bisschen gewichtiger. Mein EInkaufsbummel hatte mich durch jeden Laden geführt. Jetzt besaß ich ein schickes Outfit und hatte mir sogar die Galionsfiguren näher angeschaut. Ich hatte immer gelernt, dass es wichtig war, einen guten ersten Eindruck zu machen. Auf der Sea of Thieves war das eigene Schiff das Erste, was die Leute sahen. So richtig glaubte ich noch nicht, dass mein Schiff „Glitterbeard“ in die Welt hinausrief, aber ich kam der Sache näher. Der Pleite allerdings auch. Das und die Neugier, was einen Haufen Händler in eine piratenverseuchte Wildnis trieb, trieb mich schließlich zum Handelsbund. Eigentlich hätte ich gedacht, dass die Händler so stoisch und ernst sein würden wie die Buchhalterinnen und Bankiers, die manchmal meine Bilder kauften. Keineswegs! Kauffrau Megs Arme zierten mehr Tätowierungen als die der meisten Piraten und hinter ihrer hemdsärmeligen Art schien deutlich der Stolz auf ihre Kompanie hervor. Meg meinte ganz offen zu mir, dass meine Erfahrung bei den Goldsammlern sie nicht besonders interessierte und ich mich ihr selbst beweisen müsste, bevor sie mir vertrauen würde. Ich entschloss mich, als nächste Seefahrt ein paar Tiere auszuliefern. Ohne Kameraden war es einsam auf meiner Schaluppe und die Tiere würden mir zumindest Gesellschaft leisten. Meg warf mir zwei leere Käfige vor die Füße und wir starrten einander an. Die Stille zog sich hin und mir wurde schon etwas unwohl. Wollte mich die Händlerin veralbern?

„Also?“, fragte Meg. „Worauf wartest du?“ Ich antwortete, dass ich auf die Tiere wartete und sie rollte mit den Augen. Anscheinend sollte ich die Tiere nicht nur liefern - ich sollte sie auch fangen! Zum Glück verlangte die Bestellung nur nach ein paar Hühnern und nichts Gefährlichem! Ich hatte schon wilde Vögel auf Inseln gesehen, aber wie man ein gutes Nest - in einem Meer hungriger Piraten! - fand, da hatte ich keine Ahnung. Aber das sollte mich nicht abhalten! Bei meiner Erkundung umsegelte ich langsam die nahe gelegenen Inseln und stieß auf einen Zweimaster, der weit eindrucksvoller war als meine Schaluppe. Ich versuchte, einen großen Bogen um ihn zu machen. Als ich ein paar fette goldene Hühner fand, schnappte ich mir einen Käfig und jagte sie in eine Sackgasse, um sie dann einzusammeln.

Mit meinen sicher verstauten, gackernden Passagieren musste ich nun noch zu meinem Zielort segeln, bevor meine Lieferfrist ablief. Das zumindest konnte ich. Dachte ich zumindest… Bis heute verwirrt mich der Aufbau des Golden Sands Outpost und so machte ich meine Schaluppe am falschen Ende der Insel fest! Unglücklicherweise ankerte der Zweimaster, den ich so verzweifelt versucht hatte zu umgehen, direkt beim Handelsbundsitz.

Ich nahm all meinen Mut sowie meine Hühner zusammen und trat hervor… „Wie würde Ritchie das handhaben?“, fragte ich mich. Und deshalb begegnete ich den leeren Mienen der anderen Crew mit einem Winken und dem freundlichsten Gruß, den ich zustande bringen konnte. Zu meiner Erleichterung winkte die andere Crew zurück! Sie waren genauso froh, ein freundliches Gesicht zu sehen, wie ich. Ritchie, mein Freund, ich danke dir für deine Weisheit…

8

100 Tage Sonnenschein

Kaum hatte ich meine erste Handelsseefahrt abgeschlossen, da beschloss das Schicksal, mich auf die nächste zu schicken - in der Gesellschaft einer freundlichen Zweimastercrew. Sie hießen Sly Sally und Ozz und beide waren älter und erfahrener als ich. Vor allem aber fehlte ihnen ein Crewmitglied und diese Rolle boten sie mir an. Sie hatten von den Händlern eine Frachtfahrt gekauft - eine Seefahrt, bei der es um Beschaffung und Lagerung ging. Ein paar zusätzliche Hände wären dabei sicher nützlich. Ich vertraute meine Schaluppe also dem Meervolk an, reichte die Hühner an die Händler weiter und ging an Bord des Zweimasters. Die kleinen, feinen Untershiede fielen mir schnell auf: das hübsche Unterdeck und das weiche Bett. Kaum war in mir der Neid geweckt, da stachen wir auch schon in See!

Auf dieser Reise lernte ich viel darüber, wie andersartig ein Zweimaster war, und erfuhr auch einiges über meine neuen Schiffskameraden Sly Sally und Ozz. Die beiden waren verheiratet und das schon lange vor ihrem Piratenleben. Ozz war mal ein Ladenbesitzer gewesen, aber dann hatte ihn die Große Marinegewerkschaft aus dem Geschäft gedrängt.

Die beiden wollten auch genauso gerne von meinem Leben hören. Als ich erzählte, dass ich mal Künstler gewesen war, nickte Sally entschlossen: „Und das wirst du auch wieder werden!“ Ich erklärte, dass Farben und Staffelei schon lange dem Meer zum Opfer gefallen waren, aber Sally bestand darauf. „Sandra die Schiffsbauerin schuldet mir was. Überlass das mir!“ Wir gingen nicht vor einem Außenposten vor Anker, wie ich erwartet hatte, sondern auf einer entfernten Insel namens Lone Cove. Ozz erklärte, dass das unser erster Haltepunkt sei.

Statt einer Händlerin wie Meg oder Mavis nahmen wir hier die Fracht von einer furchteinflößenden Piratin namens Deadshot Charlotte entgegen. Wenn ich je geglaubt hatte, dass Kisten zu schleppen einfacher war, als sich mit Hühnern herumzuschlagen, so ließ ich mich eines Besseren belehren! Es gab so viel zu bedenken. Sally verbot mir, mit den Kisten voll edler Stoffe zurück zum Schiff zu schwimmen. „Das würde den Stoff ruinieren“, sagte sie streng. „Finde ein Ruderboot und lad die Kisten ein.“ Rumflaschen hingegen waren so fragil, dass selbst der Sprung vom Schiff auf den Strand sie beschädigen konnte – aber immerhin waren die Korken dicht und die Flaschen wasserunempfindlich! Dann gab es da noch Pflanzen, die man ohne einen guten Richtungssinn kaum transportieren konnte. Dass ich die zum Schiff geschafft bekam, wundert mich noch heute!

Als wir unsere Fracht vorsichtig aufgeladen hatten, sahen wir die Wolken immer düsterer werden. Ein Sturm zog auf. „Schnell!“, befahl Sally. „Nimm die Stoffe und pack sie auf das Bett, damit sie trocken bleiben. Wenn erst das Unterdeck schwimmt, hilft der Regenschutz auch nichts mehr.“ „Wenigstens sind dann die Pflanzen glücklich“, grunzte Ozz, der sich mit dem Steuerrad abmühte. Ich rannte mit einem Eimer unter Deck, um Waser zu schöpfen, als die Wellen zunahmen. Wir taten unser Bestes, aber am Ende des Sturms waren einige Rumflaschen zerschlagen und unsere einst edlen Stoffe sahen eher aus wie Putzlappen, als wir sie endlich abgeben konnten. Sally und Ozz wirkten angesichts der geschrumpften Bezahlung geknickt, aber ich war nicht traurig - nicht, wenn ich den Tag mit zwei neuen Schiffskameraden beenden konnte!

9

Eine neue Flagge

Durch ein Fernrohr sieht die Welt ganz anders aus. In gewisser Weise erspäht man seine eigene Zukunft, während man eine Welt erforscht, die man weder berühren noch hören oder riechen kann. Vorerst. Ich blickte gerade zum Horizont, als ich eine Schaluppe mit ungewöhnlichen Flaggen sah - eine am Bug, eine am Mast. Das Schiff und die Mannschaft darauf waren in Uniformen gekleidet, die ich seit langer Zeit nicht gesehen hatte – seit damals, als ich in einer lebhaften Hafenstadt die GMG-Soldaten marschieren sehen hatte.

Ich rief Ozz und er zog sein eigenes Fernrohr hervor, mit dem er das ferne Schiff betrachtete. Er wirkte so amüsiert wie ich. „Vielleicht ein Maskenball?“ Wir lachten. Sly Sally stellte fest, dass die Farben die des Handelsbundes waren. Meine Neugier wuchs weiter.

Ich kannte die Absichten des seltsamen Schiffs nicht. Damit unsere Neugier nicht mit Angriffslust verwechselt würde, entschlossen wir uns, es in Frieden zu lassen und weiterzufahren. Leider hatte auch ein anderes Schiff sie entdeckt - eins mit einer unheilvolleren Flagge! So sichtbar auf unserer Karte, als hätten sie eine Totenkopfflagge gehisst. Die Totenkopfflagge zu hissen, macht dein Schiff auf der ganzen See sichtbar und demonstriert zwei Dinge: Du bist auf einen Kampf aus und es schert dich nicht, wer es weiss. Dieses Schiff führte ebenso ein langes Banner hinter sich; ein schwarzes Dreieck, markiert mit zwei roten Streifen. Kanonendonner erschallte, als wir davonsegelten. Die ganze Situation war für mich rätselhaft und ich schwor mir, mehr darüber in Erfahrung zu bringen. Am Dagger Tooth Outpost sollte ich meine Antworten erhalten.

Eine Crew mit einer Botschafterflagge, deren Taten der jeweiligen Kompanie halfen, würde einen höheren Botschaftergrad erlangen. Hochrangige Botschafter würden für abgelieferte Güter von der Kompanie reich belohnt werden. Besonders lukrative Seefahrten wurden nur ihnen anvertraut. Die Gefahr, so erklärte Mandy, lag natürlich darin, dass hochrangige Botschafter mit teuren Waren besonders lohnende Ziele abgaben. Ich beschrieb das Gefecht, das wir gerade gesehen hatten. Mandys Miene verfinsterte sich. „Pah!“, spuckte sie fast. „Die Schnitterknochen!“

Eine neue Fraktion hatte sich auf dem Meer bereitgemacht! Als Schnitterknochen hatten sie sich gegen die Handelskompanien gestellt. Deren Fahne zu hissen, so erklärte Mandy, bedeutete, Jagd auf andere Botschafter zu machen und alles Plündergut der ausgeraubten Schiffe zum Reaper`s Hideout zu bringen. Der Rang eines Schnitters bemaß sich daran, wie viele Botschaftercrews er bezwungen hatte - oder wie viele zerschlissene Botschafterflaggen er von den versenkten Schiffen ablieferte. Mandy sprach nicht weiter davon, aber ich gebe zu, dass ich diese neue Truppe faszinierend fand. Weshalb bedeutete ihnen Chaos und Zerstörung so viel? Ich war auf die Sea of Thieves gekommen, um ganz andere Lebensweisen kennenzulernen, wie fremd sie mir auch schienen. Nach einer schlaflosen Nacht schlich ich mich heimlich auf meine Schaluppe…

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Eine seltsame Reise

Reaper`s Hideout war genauso furchterregend, wie ich es mir vorgestellt hatte. Dieses Versteck war aus einem alten Wrack erbaut worden und umgeben von Wachtürmen, Kanonen und Barrikaden. Ich hatte erwartet, auf Horden von kampflustigen Schnittern zu treffen, aber auf der Insel befand sich nur eine einzige vermummte und maskierte Gestalt. Sie stellte sich mir als Diener der Flamme vor. Nicht ohne eine gewisse Beklommenheit bat ich darum, mir zu erklären, wie die Schnitterknochen entstanden sind und warum sie sich Botschafterschiffe als Beute aussuchten. „Die Handelskompanien sind wie eine Seuche“, zischte der Diener. „Sie bedrohen unsere Art zu leben, nutzen Piraten für ihre Zwecke aus.

Man kann ihnen nicht trauen! Vielleich“, fuhr die Gestalt in einem ruhigeren Ton fort, „fällt es dir leichter, unsere Wahrheit zu begreifen, wenn du… als einer von uns weitersegelst. Ja, so soll es sein…“

Vielleicht hätte ich gehen sollen, als der Diener sprach, aber meine eigenen Erfahrungen mit den Handelskompanien hatten mich schon oft an ihren Beweggründen zweifeln lassen. Jetzt stand ich also mit Gustav und Rin an Bord eines Zweimasters. Unsere Schnitter-Botschafterflagge wehte stolz im düsteren Licht der Wilds, als wir unserer ersten Beute auflauerten. Meine neue Crew stimmte zu: Piraten hatten schon immer mit List, Tücke und brutaler Gewalt für ihre Freiheit gekämpft in einer Welt, die die Ozeane in Ketten zu legen suchte. Sie versicherten mir, dass die Schnitterknochen für das Versenken von Schiffen, die nicht zu den Botschaftern gehörten, keine Belohnung anboten und sie keinen Groll gegen die Piraten an Bord hegten. Außerdem meinte Rin, dass grausame Piraten, die eine Rechnung begleichen oder andere aus Spaß quälen wollten, das auch unter jeder anderen Flagge tun konnten. Darauf wusste ich keine Antwort.

Gustav erklärte, dass wir zuerst unseren eigenen Botschaftergrad erhöhen müssten. So könnten wir herausfinden, wo sich andere Botschafter aufhielten. „Dazu gehören auch andere Schnitterschiffe“, fügte Rin hinzu. „Jetzt tu nicht so überrascht. Nichts bringt einen schneller voran als der Kampf gegen einen würdigen Gegner.“ Heimlich hatte ich gehofft, dass es sich bei unserem Ziel um ein weiteres Mitglied der Schnitterknochen handelte.

Immerhin wären sie einem Kampf alles andere als abgeneigt. Da ich befürchtete, dass sich meine Freunde immer noch in Dagger Tooth aufhalten könnten, überzeugte ich meine Mannschaft, zum Sanctuary-Außenposten in den Shores of Plenty aufzubrechen. Als wir dort ankamen, suchten wir auf den Kartentischen der Handelskompanie verstohlen nach Anzeichen für Botschafter. Rin war davon überzeugt, dass Goldsammler unser erstes Ziel sein müssten.

Ich hatte erwartet, dass ich am Ende des Tages mit schaumgebremstem Haupt dasitzen würde, aber die Sea of Thieves steckt voller Überraschungen. Bei den Goldsammler-Botschaftern, die wir verfolgten, handelte es sich um eine erfahrene Galeonenbesatzung, die uns direkt angriff, als wir näher kamen. Ich unterschätzte meine eigene Kraft und schleuderte Gustav aus Versehen mit einer ungeschickt platzierten Donnerbombe über Bord! Glücklicherweise nahm er das Ganze mit Humor und zieht mich bis heute damit auf. Unsere Crews legten los. Wir enterten gegenseitig unsere Schiffe, stießen uns gegenseitig von den Leitern, schrien und jubelten, lachten und fluchten, bis ihre Flagge endlich uns gehörte. Mit Mut, List und Unerschrockenheit erlangten wir so den fünften und höchsten Grad. Jetzt konnten wir den Standort des zuletzt verbliebenen Handelsbotschafters sehen. Unser letztes Ziel.

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Ein unerwartetes Ende

Dank den Schnitterknochen war ich mitten in eine Seefahrt geraten, um mit zwei mir unbekannten Piraten Handelskompaniebotschafter zu versenken. Ich hatte geglaubt, dass aufstrebende Schnitter nichts weiter als Halsabschneider seien, doch nun lernte ich, dass es Mut und Gerissenheit erforderte, als ihr Botschafter zu segeln! Jetzt war unser letztes Ziel in Sicht, das unter der Handelsbotschafterflagge segelte. Ihr zerfetzter Stoff würde nach dem Sinken des Schiffs unsere letzte Trophäe sein. Erbarmungslos stürzten wir uns auf ihre Schaluppe und nutzten dabei den Wind und unsere Doppelsegel zu unserem Vorteil. Trotzdem war sie wendiger als wir und konnte uns immer noch entkommen. Plötzlich verdunkelte sich das Wasser. Gustav und Rin brachen in brüllendes Gelächter aus. Arglos hatte die unglückselige Schaluppe den Weg eines Kraken gekreuzt.

Viele mögen Kraken für bloßes Seemannsgarn halten, aber ich hatte schon vor langer Zeit erfahren, dass sie ebenso real wie gefährlich waren. Bei einem Angriff auf ein Schiff umschlingt der Kraken es fest mit seinen riesigen, schleimigen Tentakelarmen oder durchbohrt den Schiffsrumpf mit einem gezielten Schlag. Jeder seiner Tentakel schien ein eigenes Maul zu besitzen und so pflückten sie sich einer nach dem anderen Piraten vom Deck, um sie zu verschlingen! Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, verfärbt sich das Wasser neben einem Kraken tiefschwarz und verlangsamt es stark. Das andere Schiff hing fest. Wir mussten nur noch warten. Und so warteten wir und überließen die angeschlagene Schaluppe zunächst ihrem Schicksal. Es gelang ihr, den Kraken zum Rückzug zu zwingen. Erst dann feuerten wir unsere Kanonen ab.

Rin und Gustav bestanden darauf, dass ich ins Wasser springen und die zerrissene Botschafterflagge der Schaluppe bergen sollte. Ich stimmte zu, wenn auch nur widerwillig. Dieser Sieg fühlte sich billig an. Ich war bereits im Wasser, als unser Zweimaster explodierte. Ein riesiger Feuerball riss unser Schiff vom Bug bis zum Heck auf. Ich sah hilflos zu und wusste nicht, was ich tun sollte. Das Schiff war nicht mehr zu retten und ich sah, wie Rin und Gustav mit dem Meervolk verschwanden. Nur unsere kaputte Flagge trieb noch auf den Wellen. Erst dann kam ein Ruderboot hinter ein paar nahen Felsen hervor, dessen Passagierin es jetzt auf unsere Flagge abgesehen hatte. Als sie mich sah, hielt sie inne und wir starrten uns gegenseitig an. „Moment mal…“, setzte Deadshot Charlotte an.

„Kenn ich dich nicht?“

Ich erkannte Charlotte auch - die furchteinflößende Piraten, die mich bei meiner ersten Frachtfahrt beliefert hatte. Einen Augenblick wünschte ich mir, die See würde sich auftun und mich verschlingen! Charlotte jedoch schien unseren Angriff locker wegzustecken. „Jeder versucht es mal mit den Schnittern“, sagte sie leichthin. „Blöd für euch, dass ich noch ein Festungsschießpulverfass hatte.“ Als Beweis, dass zwischen uns alles im Lot war, ließ mich Charlotte auf ihr Ruderboot und ich leistete ihr Gesellschaft, als sie die Flagge einem Diener der Flamme überreichte. Ich fühlte mich noch immer etwas schuldig und erzählte Charlotte von meinem Baumhaus. Ich sagte ihr, nach der Fertigstellung könnte sie ja mal vorbeischauen. Sie stimmte zu und ich glaube, sie meinte es sogar ernst! Das also war meine Zeit bei den Schnittern. Nun verstehe ich zumindest ihre Lebensweise. Irgendwie schätze ich sie sogar. Aber für mich war einmal mehr als genug.

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Seelensuche

Die Goldsammler und der Handelsbund kannten mich schon, also schien es vernünftig, die Runde abzuschließen, sozusagen. Als ich darüber nachdachte, was mein Freund Ritchie mir erzählt hatte, hielt ich inne. Jetzt hatte ich ein Schwert zu meiner Verteidigung. Aber aktiv Skelette zu suchen war doch etwas anderes. Als ich mich dem Seelenorden vorgestellt hatte, war mein erster Vorschlag, dass ich vielleicht Zutaten oder Tinten für ihre Arbeit sammeln könnte. Madame Olivia lachte leise und schüttelte den Kopf. „Von Piraten brauchen wir nur ihre rohe Kraft“, meinte sie mit Bestimmtheit. Sie war sich sicher, dass ich dem Orden nur helfen könnte, indem ich ihnen die Schädel berüchtigter Skelett-Kapitäne abliefere. Ich dankte ihr für ihre Zeit und ging meiner Wege.

Glaubst du, dass es so etwas wie eine goldene Stunde gibt? Die Tageszeit, wo das Licht absolut perfekt ist und die Welt zu stehen zu bleiben scheint? Ich weiß, dass es sie gibt. Mit überkreuzten Beinen verbrachte ich die goldene Stunde am Strand des Plunder Outpost und dachte an meine erste Seefahrt, auf der ein Freund sich um meinetwillen der Gefahr gestellt hatte. Ich war mit dem Entschluss zur Sea of Thieves gekommen, für alles offen zu sein.

Obwohl ich niemandem Übles wollte, wusste ich, dass das nicht immer auf Gegenseitigkeit beruhen würde. Und wenn ich nicht lernte, zu kämpfen: Könnte ich meinen Freunden zumuten, ihr Leben zu riskieren, um mich vor Schlange, Hai und Skelett zu beschützen? Deshalb kehrte ich zu Madame Olivia zurück, bat um Entschuldigung und nahm meine erste Kopfgeld-Seefahrt an.

Die Kopfgeldjagd schien einfach genug und verzeichneten den letzten bekannten Aufenthaltsort des Skelett-Kapitäns und - seiner? - Crew auf einer unbekannten Insel namens Wanderer`s Refuge. Wie Olivia es mir geraten hatte, ging ich noch zum Waffenschmied und kaufte eine Steinschlosspistole, um schon aus der Ferne meine ersten Grüße zu übermitteln. Doch hatte ich geglaubt, als erstes feuern zu können, war ich wohl ein Tor gewesen. Als ich mich Wanderer`s Refuge näherte, hörte ich ein lautes und überaus unheilvolles Getöse. Ich wurde angegriffen! Nicht von einem anderen Schiff, sondern von den Geschützen auf der Insel selbst. So viel zum „Zufluchtsort“… Die zweite Kanonenkugel traf und ich musste schnell hart nach Steuerbord lenken,bevor ich unter Deck lief und mich um die Schäden kümmerte, bis meine Schaluppe außer Reichweite war.

Vorsichtig näherte ich mich nun aus einer kanonenfreien Richtung der Insel. Ich raffte meine Segel und sprang mit gezogener Pistole an den Strand. Das Skelett, das auf mein Schiff gefeuert hatte, rannte den Hügel hinab, um mich in Empfang zu nehmen, aber nach ein paar Schwertschlägen trat es die Flucht an. Die blutigen Details meiner Begegnung mit dem Captain erspare ich dir lieber, mein treues Logbuch. Am Ende war ich reicher um ein paar Schrammen und den geforderten Schädel. Olivia hatte gesagt, jedes Ordensmitglied würde den Schädel annehmen, also begab ich mich zum Golden Sands Outpost. Ganz ehrlich war ich froh, das unheilvoll wispernde Ding los zu sein. Ich war zwar sicher, dass ich bald wieder Skelette sehen würde, aber vorerst überließ ich den Orden sich selbst und ging zum Strand.

Die goldene Stunde nahte wieder…

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Ein Wiedersehen

So langsam fand ich mich auf der Sea of Thieves zurecht und wusste, wie die Leute auf ihren Inseln lebten. Aber dafür wurde mir umso mehr bewusst, dass ich über das Meer selbst so gut wie nichts wusste. Ich hatte das Meervolk bereits getroffen - diese seltsamen Wesen, die havarierte Piraten retteten und sogar gesunkene Schiffe bargen - aber ihre Absichten blieben mir ein Rätsel. Aber die Hafenstadt, die eins mein Zuhause gewesen war, hatte mich gelehrt, dass das Meer seine eigenen Reichtümer bereit hielt - mehr als genug, um davon leben zu können, wenn man nur geschickt und fleißig war. Perlenfischerei tauchten nach milchig weiten Kugeln, um Halsketten daraus zu fertigen, Strandguträuber sammelten verlorene Schmuckstücke zusammen und jeden Tag wurden haufenweise Fische gefangen und verkauft. Die meisten Piraten schienen für so etwas keine Zeit zu haben, und genau deshalb war eine neue Handelskompanie für mich von besonderem Interesse. Ich war auf dem Weg zum „Ruf des Jägers“.

Seeposten waren keine Inseln, sondern kleine Holzgerüste mit Pieren, die man in der endlosen Weite des Ozeans auf großen Felsen errichtet hatte. Erst einmal musste ich einen von ihnen finden! Ich hatte gehört, dass sich die Anführerin dieser mysteriösen neuen Kompanie beim „North Star“-Seeposten und damit im Herzen der Shores Of Plenty aufhielt.

Serie war sehr freundlich, empfing mich herzlich und schien froh darüber zu sein, dass Piraten wie ich daran interessiert waren, der neuen Kompanie ihre Hilfe beim… na ja, Essen… anzubieten. Die Leute vom Ruf des Jägers betrachteten sich als Meisterköche und boten Piraten Gold im Tausch für Fleisch- und Fisch an. Je exotischer, desto besser! Da ich Interesse bekundet hatte, schenkte Serik mir eine Seemannsangel, diezwar abgenutzt war, aber noch gut funktionierte. Ihre Familie arbeitete fleißig an der Herstellung weiterer Exemplare…

Zu Hause hatte ich immer gern Wolfsbarsch gegessen, aber als ich Serik davon erzählte, meinte sie nur, dass noch weitaus eigenartigere Fische in der Sea of Thieves auf ihren Fang warteten.  Verschiedene Fische wurden von verschiedenen Ködern angelockt, erklärte sie. Experimente mit Regenwürmern, Egeln und Maden würden zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Teiche, Küsten bestimmter Inseln, bei Stürmen, in der Nähe von Schiffswracks oder sogar aktiver Skelett-Forts… Das alles waren Möglichkeiten, die beim Angeln reichliche Beute versprachen. Auch Fleisch stand auf dem Speiseplan, wie Serik erklärte. Hühnchen, Schweine, Schlangen und sogar Haie waren willkommen, solange sie fachgerecht zubereitet wurden.

„Wir nehmen sogar Megalodon, wenn du welchen hast“, fügte sie glucksend hinzu. „Aber erwarte ja nicht, dass Merrick sich darüber freut… Was ist denn, mein Herz? Stimmt was nicht?“

Keine Stunde später zog ich wieder auf den Wellen dahin. Ich hatte nicht geahnt, dass Merrick mal mit Serik verheiratet war, geschweige denn sich unlängst mit ihr versöhnt hatte. Merrick vertrat den Ruf des Jägers auf Stephen`s Spoils und zu meiner großen Freude erkannte er mich gleich wieder. Er selbst war hingegen kaum wiederzuerkennen! „Aye, ich habe vor kurzem ein paar Gliedmaßen an den Hungernden verloren“, erzählte er mir leutselig. „Mein Seemannslied hatte wohl doch mehr Kraft, als wir beide gedacht hatten!“ Wir verbrachten einen fröhlichen Nachmittag zu zweit, würfelten und spielten Karten und genossen die Sonne und die frische Brise. Merrick zeigte mir, wie man Karnath spielt, und ich erklärte ihm die Cho-Han-Regeln. Jetzt wusste ich, wo ich Merrick finden konnte, und versprach, ihn häufiger aufzusuchen. Er war mein erster Freund auf der Sea of Thieves gewesen. Ich konnte es kaum erwarten, dass er die anderen traf.

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Eine Taverne für Legenden

An diesem Abend war es heiß und ziemlich stickig, also hatte ich die laute Umgebung des „George & Kraken“ verlassen und wartete draußen auf meine Freunde. Ich schenkte der Piratencrew, die die Taverne betrat, keine weitere Beachtung. Und sie mir auch nicht.

Wahrscheinlich wollten sie ihr Grogfass auffüllen oder mit den Schiffsratten sprechen. Durch den plötzlichen Klang von vier Instrumenten, die harmonisch zusammenspielten, wurde meine Aufmerksamkeit geweckt. Es war ein schauriges Seemannslied, das ich noch nie zuvor gehört hatte. Ich stand auf und trottete zur Taverne hinüber. Ich wollte die Piraten nicht stören, hoffte aber, dass sie das Lied noch mal für mich spielen würden, damit ich es besser hören könnte. Zu meinem großen Erstaunen war die Crew nirgends zu sehen! Wenn sie die Taverne nicht durch die Hintertür verlassen hatten (warum sollten sie), hatten sie sich in Luft aufgelöst.

Ich flehte Tracy, die Tavernenwirtin, an, mir zu sagen, wie die Crew so einfach verschwinden konnte, aber sie blickte nur zu dem Fremden, der in der Ecke herumlungerte, und schüttelte den Kopf. Ich war völlig perplex. Als Merrick eintraf, gelang es mir, ein paar Töne des Lieds auf meinem eigenen Instrument zu spielen, obwohl ich natürlich nicht verschwand. Merrick nahm einen großen Schluck Grog. „Ach das!“, bellte er rülpsend. „Das ist ein ganz besonderes Seemannslied. Es beweist, dass du ein Kumpel vom Piratenlord bist.“ Der mysteriöse Fremde trat plötzlich vor und schien durch Merricks Gehabe verärgert zu sein.

„Wenn es dich interessiert“, knurrte er, „dieses Lied kennen nur echte Piratenlegenden.“ „Ist doch dasselbe“, entgegnete Merrick achselzuckend. „Mach dich bei den Handelsgesellschaften beliebt, das gilt auch für uns Jäger, und das alte Grünauge hier zeigt dir den Rest.“

Ich hatte bislang noch nie von einem Piratenlord gehört, obwohl er - zumindest laut Merrick - von vielen als größter Pirat angesehen wurde, der je die Sea of Thieves durchquert hat. Als er sich zur Ruhe setzte, eröffnete der Piratenlord eine Taverne, in der jeder namhafte Pirat willkommen war, um zu trinken, einzukaufen und Seefahrten zu sammeln, die einer Piratenlegende würdig sind. Weder Merrick noch der Kerl mit den leuchtend grünen Augen wollten sich dazu äußern, wo genau sich diese Taverne der Legenden befand, aber das war nicht schlimm. Ich war weit davon entfernt, mich als erfahrenen oder gar legendären Piraten zu betrachten. Die Taverne, in der wir Karten spielten, war also mehr als ausreichend für meine Zwecke. Zumindest ging ich davon aus. Aber in dieser Nacht träumte ich von meiner Kindheit und einem besonderen Ort, an den ich lange nicht mehr gedacht hatte…

Als ich klein war, spielten ich und meine Freunde in einem großen Wald. Wir schwangen von Ast zu Ast, gruben Erdlöcher und vor allem behielten wir Geheimnisse für uns. Unser Baumhaus war zunächst nicht mehr als ein altes Segel, das wir über viele Tage hinweg vom Strand bis hoch hinauf in die Baumkronen zerrten. Mit der Zeit suchten wir Planken und weiteres Material zusammen. Es war kaum regendicht und drohte jeden Augenblick auseinanderzufallen, doch das war uns egal. Dieser Ort gehörte uns. Ich fragte mich, ob ich es mit dem Piratenlord gleichtun könne. Könnte ich ein geheimes Clubhaus bauen, nicht für mächtige Piratenlegenden, sondern für meine Freunde und mich? Ich war etwas in Sorge, dass die anderen mein Bestreben für naiv halten würden, aber je länger ich an unser geliebtes Baumhaus zurückdachte, desto mehr war ich entschlossen, es zu versuchen.

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Verloren und Wiedergefunden

„Es ist zu lange her!“, rief eine vertraute Stimme in der Taverne. Da stand Ritchie, mit ein paar Narben mehr, aber noch genauso froh wie eh und je. Ich war direkt mit dabei, denn ich vermisste meinen Freund und schlug vor, dass wir uns mit den anderen treffen gehen.

Ritchie war jedoch zu aufgeregt dafür. Er erklärte, dass er sich einen Ruf bei den Goldsammlern erarbeitet hatte und sie ihm genug vertrauten, um ihn einen Schlüssel zu einem ihrer Schatztresore bergen zu lassen. „Wozu stehen wir dann noch hier?“, fragte ich grinsend. Wir rannten zu einer Schaluppe und traten zur Abstimmung um den Kapitänstisch - genau wie früher. Ich raffte gerade die Segel, da sah ich das Grinsen von Flameheart am Himmel - und lachte laut los, als Ritchie, heiter wie immer, ihm genauso fröhlich zuwinkte wie mir damals.

Die Goldsammler wollten vielleicht Ritchies Hilfe, aber leichter machten sie unser Leben deshalb nicht. Diesmal bekamen wir keine Karte. Stattdessen hatte sich Ritchie etwas geliehen, das Hugh einen „Goldenen Wegbereiter“ nannte. Sah ein wenig wie mein alter Kompass aus, aber nach Norden zeigte der nicht. Das kleine Schmuckstück wusste irgendwie, wo die Teile der Schatztresorkarte versteckt waren, die die Goldsammler nach

dem Bau des Tresors zerrissen hatten. Wir brauchten nicht mal alle Stücke, um die Insel mit dem Tresorschlüssel zu erkennen. Darauf waren wir schon ein wenig stolz, auch wenn wir es nicht laut sagten. Als wir den Schlüssel an Bord gebracht hatten, setzte ich Kurs auf den Außenposten. Doch Ritchie stupste mich an. „Ein Schatztresor!“, meinte er mit glänzenden Augen. „Schauen wir doch mal kurz rein…“

So richtig sicher war ich mir bei seinem Plan nicht. Aber er hatte schon recht: Wenn die Goldsammler keinen Schlüssel zu ihrem Tresor hatten, wie sollten sie merken, wenn etwas fehlte? Als wir den Schatztresor endlich geöffnet hatten, gingen uns die Augen über vor güldener Beute, die die Piraten über Jahre bei den Goldsammlern abgeliefert hatten. Ich war nicht sicher, was ich von diesem Wust an Schätzen halten sollte. Niemand bewunderte die Juwelen oder sparte sie für ein neues Abenteuer an oder gab sie auch nur für ein wenig Spaß aus. Noch weniger mochte ich die Falle der Goldsammler! Plötzlich schmetterte die riesige Tür herab und sperrte Ritchie im Tresor ein, während ich hilflos auf die Steine hämmerte. Ich wusste, dass er bald wieder von der Fähre zurück sein würde, aber direkt zu sehen, wozu die Goldsammler imstande waren… tja, darüber musste ich erstmal nachdenken.

Das war die letzte Seefahrt, die ich je für die Goldsammler antrat. Ritchie machte Witze darüber und sagte, er hätte für das Stehlen verdient, was er bekommen hatte. Ich war mir nicht so sicher. Ich bin Glitterbeard, ein Pirat, und ich kenne den wahren Wert des Goldes.

Es ist dafür da, mit Freunden ausgegeben zu werden; dazu, deiner Crew neue Segel zu kaufen! Dazu, zu leben! Wer weiß, wo es am Ende landet? Ich nicht. Und sicher gibt es viele Piraten, die froh sind, einem Toten das Gold abzunehmen. Nein, von den Goldsammlerfahrten bekam ich einen anderen Schatz. Ich hatte einen Freund fürs Leben und selbst wenn meine Geldbörse leer war, war mein Herz doch immer voll.

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Einkaufen und Einlagern

Ich war froh, echte Begeisterung in den Gesichtern meiner Freunde zu sehen, als ich vorschlug, ein „Baumhaus“ zu errichten - ein Geheimversteck für uns ganz allein. Da die Gebäude der Sea of Thieves normalerweise aus Treibgut und Ersatzteilen zusammengezimmert wurden, würde alles, was wir selbst anfertigen, eine gute Figur abgeben. Nichtsdestotrotz gab es keinen Grund, unsere Ressourcen nicht zusammenzulegen und gemeinsam an unserem Ziel zu arbeiten, ohne eine Galeone für Material zu opfern, wie es der Piratenlord getan hatte. Also zog ich durch die Außenposten und suchte jeden einzelnen Laden auf, um herauszufinden, was es dort zu erbetteln, zu leihen oder zu tauschen gab. Ich kehrte gerade von der Schiffsbauerin mit einer Kiste voller Werkzeug zurück, die sie mir geliehen hatte, als ich ein neues Etablissement entdeckte…

Mittlerweile fand ich mich in den zahlreichen Läden der Außenposten gut zurecht - es waren simple Geschäfte, die frische Kleidung, neue Waffen und praktische Piratenausrüstung verkauften. Die Kompanien wiederum bevorzugen offenbar provisorische Hütten und Zelte anstelle einer befestigten Behausung. Sogar die Schiffsratten führen ihre Geschäfte aus der Taverne heraus. Das Gebäude, unter dem die Repräsentantin des Seelenordens ihr Zelt aufgeschlagen hatte, beachtete ich dementsprechend kaum mehr - schließlich stand es schon seit langem leer. Aber heute bemerkte ich, dass die Tür dieses gestelzten Ladens weit offenstand. Und aus dem Innern drangen allerlei seltsame Geräusche zu mir hervor.

Ich hatte zwar seit Jahren keine Tierhandlung mehr betreten, aber ich erkannte diese Laute sofort und trabte die Treppe hinauf, um mir den neuen Laden selbst anzusehen. Als ich durch die Tür trat, wurde ich herzlich auf dem Piratenbasar willkommen geheißen. Earl, der Ladenbesitzer, versicherte mir, dass er nur die feinsten und begehrtesten Luxusartikel im Sortiment führte. Zu meiner großen Freude gehörten dazu auch Tiere.

Neben der mürrischen grauen Katze, die stolz auf dem Tresen hockte, sah ich allerhand Hunde, Papageien und sogar gezähmte Affen. Das Baumhaus einen Augenblick vergessen, zog ich sofort meinen Geldbeutel hervor und wollte schon einen Ara kaufen, um damit meine Freunde zu überraschen. Earl erklärte mir geduldig, dass seine Arbeitgeber kein Gold akzeptierten und man hier schon antike Münzen auf den Tisch legen müsste, wenn man etwas kaufen wollte. Wirklich schade! Aber ich versprach Earl, dass ich zurückkehren würde, sobald ich besagte Münzen besaß. Dann kehrte ich dem Piratenbasar vorerst den Rücken, denn ich hatte einen Termin einzuhalten.

Ein wenig später als beabsichtigt lief ich über den Bohlenweg zum Dock hinüber. Die Händler würden eine wichtige Rolle beim Transport unserer Vorräte spielen - vorausgesetzt, dass sie ihr Wort gehalten hatten. Wie versprochen hatte Kauffrau Mildred ein paar Kisten beiseitegestellt, wie man sie für die Lieferung großer Mengen an Kanonenkugeln, Nahrung und Holzplanken verwendet. Die Händler nahmen solche Kisten von Piraten an, allerdings nur, wenn sie voll waren. Diese waren leer und somit für Mildred nicht von Wert. Ich war dankbar, dass sie sie für mich aufgehoben hatte. Ich schleppte die Kisten auf unsere Galeone und bemerkte zufrieden, dass die anderen in der Zwischenzeit auch die letzten

Planken und Granatäpfel im Außenposten aufgestöbert hatten. Wir hatten uns ein hübsches Vorratslager zusammengesammelt und könnten unterwegs nach weiteren Waren Ausschau halten. Zeit in See zu stechen - auf zu unserem neuen Versteck!

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Wie gewonnen so zerronnen

Der Frachtraum unserer Galeone war prall gefüllt mit Vorräten, der Wind stand günstig und so machten wir uns auf zu dem Ort, an dem bald unser Baumhaus stehen sollte! Es ging hoch her, wir lachten und jubelten. Wenn ich im Nachhinein darüber nachdenke, frage ich mich, ob das den Megalodon angelockt hat… Sly Sally, die pflichtgemäß im Ausguck Ausschau hielt, sah, wie die große Rückenflosse die Wellen teilte. Anstatt zu versuchen, unser Gelage mit ihren Rufen zu übertönen, läutete sie wie wild die Schiffsglocke. Es dauerte nicht lange, bis auch wir den Megalodon bemerkten - eine dunkelgraue Bestie, die Merrick eine „Shadowmaw“ genannt hätte. Sie hatte die Form eines Hais und die Größe einer Schaluppe! Die Kreatur brach mit einem lauten Brüllen aus dem Wasser. Ich blickte direkt in ihr riesiges starres Auge. Jetzt war es soweit. Ich musste zeigen, was die anderen mir beigebracht hatten…

Zunächst einmal wusste ich, dass sich Megalodons nicht immer aggressiv gegenüber Schiffen verhielten. Wenn wir Glück hatten, würde diese Shadowmaw uns in Ruhe lassen. Und je näher wir der Insel kamen, desto wahrscheinlich war es, dass unser flossenbewehrter Widersacher verschwinden würde. Megalodons bevorzugten tiefere Gewässer. Ich rief nach Ozz und deutete auf einen entfernten Seeposten in der Hoffnung, dass er uns Schutz bieten könnte. Wenn nicht, würde der Ruf des Jägers eine äußerst frische Lieferung erhalten! Leider hatte die Shadowmaw andere Pläne und preschte bereits auf uns zu. Ich stürzte zur nächsten Kanone, war aber einen Moment zu langsam. Die Kiefer des Megalodon schlossen sich mit lautem Krachen um die Flanke des Schiffs und schüttelten es so heftig hin und her, dass ich schließlich über Bord ging.

So schnell unser Schiff in dem Moment war, war ich überzeugt, dass es mich zurücklassen und ich auf die Hilfe des Meervolks angewiesen sein würde. Zu meiner Überraschung war unsere Galeone, die von den Zähnen der Shadowmaw durchlöchert worden war, schon auf dem Weg, um mich wiederaufzunehmen. „So leicht drückst du dich nicht vorm Wasserschöpfen“, rief mir Gustav von den Kanonen zu, als ich die Leiter heraufkam. Ich nickte, schnappte meinen Eimer und eilte unter Deck. Ozz und Sally hämmerten wie besessen und hielten noch viele Holzplanken in der Hand. Ich fürchtete, dass bei diesem Tempo kein Material für das Baumhaus übrigbleiben würde! Ich hätte mir lieber Sorgen darum machen sollen, dass niemand am Ruder stand…

Wenn ich nicht über Bord gefallen wäre, wären die Dinge vielleicht anders gelaufen. Vielleicht hätte ich auch die Schießpulverfässer gesehen, die im Wasser trieben. Aber da niemand das Schiff steuerte, rauschte unsere Galeone mitten in das Treibgut hinein. Der harte Aufprall brachte die Fässer zum Explodieren und unser armes Schiff zu durchlöchern.

Wir taten alle unser Bestes, aber bei den hereinströmenden Wassermassen und einem aggressiven Megalodon, der uns unablässig angriff, war unser Schiff zum Sinken verdammt. Hätten wir ein Ruderboot gehabt, hätten wir vielleicht die wenigen Vorräte retten können, die uns verblieben waren. Aber so mussten wir sie widerwillig ihren glücklichen Findern überlassen. Meine Laune besserte sich, als wir uns am Lagerfeuer aufwärmten. Sally meinte, wir würden sicher morgen neue Vorräte finden - und hier draußen, war „morgen“ nie weit weg.

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Verschollene Wracks

Egal, wie lange ich schon zur See fahre, der Anblick einer stolzen Galeone in voller Takelage wird mich immer beeindrucken, selbst wenn es sich dabei um unsere eigene Galeone handelt. Ritchie war mit einer seltsamen Seekarte und dem Versprechen eines neuen Abenteuers zum Baumhaus gekommen. Jetzt wollten er, Ozz, Sally und ich unser neues Schiff ausprobieren. Dank drei Segeln waren wir mit dem Wind im Rücken erschreckend schnell. Und dann waren noch die acht Kanonen, auch wenn wir die heute wohl eher nicht brauchen würden. Kauffrau Mollie hatte uns eine Handelsroute gegeben, auf der ein Schiff vom Handelsbund segeln sollte. Eins, das sein Ziel nie erreicht hatte…

Niemand wusste, wo es geblieben war, oder auch nur wie viel Fracht verloren gegangen war. Also sollten wir das Geheimnis des verschollenen Schiffs aufklären! Die Händler hatten ihre Reise am Ancient Spire Outpost begonnen, also taten wir das auch, immer auf der von Molly markierten Route. „Da ist was im Wasser!“, rief Sally aus dem Krähennest herab. „Kannst du das harpunieren, Schatz? Also ohne uns in die Felsen zu ziehen?“ Ozz grummelte leise vor sich hin. Dann rannte er zum Bug, machte die Harpune klar und spießte mit einem gekonnten Wurf ein seltsam bemaltes Fass auf. „Ja, das gehört ganz klar dem Handelsbund“, erklärte er, als er es durchwühlte. „Die haben einen Teil ihres Logbuchs da hineingestopft, seht ihr?“ Wir versammelten uns, um das Pergament zu lesen.

Etwas hatte die Händler von ihrem Kurs abgebracht. Aber hatte es auch ihre Fahrt beendet? Das würden wir bald wissen. Kurz darauf hatten wir vier unsere Ferngläser zur Hand und hielten auf dem schäumenden Wasser Ausschau nach Treibgut, das uns zu unserem nächsten Hinweis führen würde. In der Hand spielte ich mit einem goldenen Schlüssel, den wir geborgen hatten. So langsam ging uns das Meer aus. Wenn wir das Wrack nicht bald finden konnten, würden wir es nie entdecken. Endlich entdeckten wir einen riesigen Möwenschwarm. Sicher bedeutete das, dass das Wrack irgendwo in der Nähe lag. Wir tauchten hinab und hielten dabei nach Haien Ausschau. Der gefundene Schlüssel passte perfekt ins Schloss der Kapitänskajüte. Dort drin war noch viel intakte Fracht, die schnell zur Oberfläche hinauftrieb. Mit dem Frachtverzeichnis in der Hand segelten wir zu den Händlern zurück, doch ich selbst fühlte mich recht melancholisch und kletterte in Krähennest, um frische Luft zu schnappen.

Je länger ich über das Galeonen Wrack nachdachte, desto mehr wurde mir bewusst, dass es dort auch mal eine Crew von lachenden Freunden gab, die sich auf ihrer Handelsfahrt befanden. Den Händlern war die Mannschaft egal. Sie notierten jede einzelne Kiste, aber die Namen der Piraten, die sie verschifften, wurden wie Sand vom Meer fortgespült. Später am Tag begab ich mich zu meinem Lieblingsplatz zum Malen und bereitete meine Staffelei sowie die Farbe vor, die Sally mir besorgt hatte, während das Schiffslogbuch zu meinen Füßen lag. Wir hatten nicht viel über sie herausgefunden. Ich musste also meine Fantasie spielen lassen, aber ich konnte sie so zeichnen, wie ich glaubte, dass sie gesegelt waren - stets frohen Mutes. Als das Bild getrocknet war, brachte ich es zu Kauffrau Mollie und erklärte ihr, wer die Piraten waren und weshalb ich sie gemalt hatte. Ich möchte glauben, dass sie es noch immer hat.

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Flaggen der Freundschaft

Die Sonne stand hoch am Himmel, die See war ruhig und unsere Crew zufrieden. Unter Deck wollte ich gerade Ritchie eins von Merricks Seemannsiedern beibringen, da hörte ich die Schiffsglocke läuten. Wir rannten nach oben und sahen, warum Ozz uns gerufen hatte - direkt vor uns, so klar wie der Tag selbst, zeichnete sich die Galeonen-förmige Wolke einer Flotte von Skelettschiffen ab. Wir hatten viele Vorräte, aber wenig Lust an solch einem schönen Nachmittag zu kämpfen. Gerade wollten wir wegsteuern, da rief Sly Sally von ihrem üblichen Posten im Krähennest herab. „Da ist eine Schaluppe im Gefecht!“, rief sie. „Sieht übel aus, aber sie hisst eine Allianzflagge. Vielleicht sollten wir…“ Sie sprach nicht zu Ende, aber es war klar, was sie meinte. Aus irgendeinem Grund blickten alle zu mir. Ich zögerte - kurz. „Hiss unsere Flagge, Sally!“, rief ich zurück. „Schauen wir nach, wie wir helfen können!“

Allianzen waren selten in der Sea of Thieves, aber ich fand sie angenehm. Wenn man zum Bündnis lud, konnten alle anderen Schiffe in der Nähe beitreten. Andere Schiffe in der Allianz wurden auf der Schiffskarte markiert und aggressivere Piraten überlegten es sich vielleicht noch einmal, anzugreifen. Noch besser: Händigt ein Schiff etwas Wertvolles an eine Kompanie aus, wird allen Crews der Allianz ein Obolus gezahlt, um ein wenig Kooperation zu fördern. Jetzt, wo wir eine Allianz mit der angeschlagenen Schaluppe eingegangen waren, mussten wir auch Bündnistreue beweisen und sie vom Sinken abbringen! Das war leichter gesagt als getan. Feuergefechte mit Skelettschiffen waren mir nicht fremd, aber ein Kampf gegen eine gesamte Flotte war schon ein anderes Kaliber, wie ich feststellen musste…

Laut Sally und Ritchie wurden die Skelettflotten ein von einer Skelettlordin, auch bekannt als Kriegsschmied, organisiert und befehligt. Zumindest bis zu ihrem Verschwinden. Die Schiffe, die sie zurückließ, standen ihr in Sachen Aggression in nichts nach! Das hab ich zu spüren gekriegt, als ihre verwunschenen Kanonenkugeln uns benommen machten und unsere Vorratsfässer versiegelten. Die kleine Schaluppe, schier außer Kontrolle, zischte an uns vorbei, dicht gefolgt von der Skelettgaleone. Zumindest bis wir die Letztere mit unseren Kanonen ins Jenseits beförderten. Es war ein langes und heiles Gefecht, aber für Vorsicht war keine Zeit. Die Flotte hatte ganz klar mehr Kanonenkugeln als wir Planken zum Löcher

flicken. Nachdem der Captain der Flotte erschienen war und wir ihn mit unseren letzten Kanonenkugeln auf den Meeresgrund geschickt hatten, entschloss ich mich, mich auch mal vorzustellen…

„Ich bin ein Freund!“, rief ich, als ich die Leiter der Schaluppe empor kletterte - nur für den Fall, dass der Besitzer schon die Flinte gebückt hatte. Unter Deck platschte es, also stieg ich hinab. Der einsame Pirat dort unten war erschöpft und stand hüfttief im Wasser. „Ich glaub, das war ein Fehler“, sagte er niedergeschlagen. „Ich wollte doch nur meine Freunde beeindrucken.“ Er heiße Phillip, sagte er etwas außer Atem, als wir das Wasser aus seiner Schaluppe schöpften, und dass seine Crew das Spektakel zweifellos von der Taverne der Säbelrassler aus mitangesehen hatte. Phillip schien sehr erpicht darauf, sich zu beweisen, aber mir fielen ein paar wenig höfliche Worte für seine abwesenden „Freunde“ ein. Da wir eine Allianz eingegangen waren, schlug ich Phillip vor, unserer Galeone heim zu folgen. Ich gab mich geheimnisvoll und meinte, dass ich ihm noch etwas zeigen wollte…

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Flammende Flotten

Captain Flameheart! Seitdem der berüchtigte Skelettlord seine Rückkehr auf die See verkündet hatte, war er uns allen im Gedächtnis, selbst in der Ruhe unseres Baumhauses. Wir alle wussten, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er die Sea of Thieves erobern wollen würde, aber wir waren doch überrascht, als Phillip mit hochrotem Kopf zu uns rannte.

„Es ist Flameheart!“, rief er. „Und eine Flotte, ähm… keine Ahnung, aber sie sind ganz nah!“ Tja, hätten wir uns weiter Piraten nennen dürfen, wenn wir nicht nachgucken gegangen wären? Auch wenn Flameheart nicht zu übersehen war! Die geisterhafte Gestalt seines Schädels schwebte am Himmel, und als wir näher heransegelten und er uns erblickte, überhäufte er uns mit Spott und Drohungen. Wir gaben nicht klein bei und plötzlich schien es, als würde der Horizont sich spalten! Aus dem Spalt drangen mehrere Geistergaleonen, die alle auf uns zu fuhren. Ein Kampf war unvermeidlich.

Es heißt, es gäbe für alles ein erstes Mal, und das war das erste Mal, dass wir alle uns mit Phantomen anlegen würden. Im Gegensatz zu den Skelettschiffen gab es scheinbar keine Möglichkeit, an Bord zu gelangen. Die Option, einen Trupp loszuschicken, um die Crew auszulöschen, bestand also nicht. Erst fragten wir uns, ob unsere Waffen überhaupt funktionieren würden, aber obwohl die Schiffe nicht normal sanken, konnten wir sie mit ein paar Kanonenkugeln doch besiegen. Wir hatten kaum noch Munition, da entdeckten Charlottes scharfe Augen Gespenster, die um Vorratskisten im Wasser kreisen. Sofort holten wir die Kisten an Bord. Ja, da waren wir guter Stimmung. Wir riefen und schimpften auf Flameheart und fühlten uns unbesiegbar. Dass schoss das erste seiner Geisterschiffe zurück…

Statt ordentlichen Metallkugeln schienen uns Flamehearts Schiffe rachsüchtige Geister entgegenzuschicken! Kreischende gespenstische Geschosse hagelten auf uns herab. Sie mochten zwar Phantome sein, aber unser Deck splitterte dennoch! Und einige ihrer scheußlicheren Angriffe setzten uns auch noch in Brand - keine schöne Überraschung. Flameheart meinte es ernst, aber seine Drohungen würden wir nicht einfach hinnehmen. Nach und nach nutzten wir seine eigenen Vorräte gegen ihn und wendeten das Blatt. Als dann Flamehearts Flaggschiff endlich dazustieß, sagte uns unser Bauchgefühl, dass der Schlüssel, den Captain zumindest vorübergehend zu verbannen, in der Zerstörung des Schiffs lag. Als der letzte Kanonendonner verhallte, sammelten sich unsere Crews und hoben die Krüge. Zumindest einen weiteren Tag würde die Sea of Thieves uns gehören!

Wir beluden unsere Schiffe mit den restlichen Geistervorräten und noch ein paar Schädeln, von denen Phillip glaubte, sie würden den Seelenorden sicher interessieren. Wir fuhren zum nächsten Außenposten und ich dachte an mein erstes Treffen mit Madame Olivia und wie ich gezögert hatte, in ihrem Namen eine Waffe zu heben. Meine Zeit auf der Sea of Thieves hatte mich verändert. Aber zum schlechteren? Ich war eher willens, zu kämpfen - aber ich hatte auch mehr Dinge, für die es sich zu kämpfen lohnte. Der Seelenorden kämpfte auch, dachte ich. Und wenn das bedeutete, dass sie Flameheart und seine Schergen aus unserem Piratenparadies fernhalten könnten… Tja, vielleicht könnte ich ihnen dann ja auch ein paar Skelettschädel bringen. Ganz selten mal.

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Unser neues Heim

Nach der schicksalhaften Begegnung mit dem Megalodon, die uns unsere Galeone und Vorräte gekostet hatte, wusste ich nicht, ob oder wann unser Baumhaus je fertiggestellt werden würde. Ich hatte vergessen, dass einer gierigen Shadowmaw in der Sea of Thieves in puncto Schnelligkeit nur Gerüchte und Tratschereien das Wasser reichen konnten. Phillip schwankte unter dem Gewicht einer schweren Vorratskiste auf mich zu. Eine andere Mannschaft hatte von unserem Unglück gehört und bot uns ihre überschüssigen Vorräte an.

Als Merrick ankam, um uns zu helfen, war sein Ruderboot ebenfalls mit Spenden beladen. Wie es schien, hatten sich auch andere Crews schon mal in derselben Lage wie wir befunden. Die Sea of Thieves konnte ein rauer, erbarmungsloser Ort sein, an dem Fehler hart bestraft werden. Doch auch hier hatte Großzügigkeit und Freundschaft einen Platz.

Aus allen Himmelsrichtungen kamen wir zusammen, um unserem Traum vom Baumhaus Gestalt zu verleihen, arbeiteten gemeinsam bis tief in die Nacht oder direkt bis zum Morgen. Merrick und Ritchie, Gustav, Sally und Ozz, sogar Phillip und Charlotte boten ihre Hilfe an. Alle schienen sie zu fühlen, dass wir dabei waren, etwas ganz Besonderes zu erschaffen.

Wir hämmerten und sägten, hievten und malten, hängten Seile und Flaschenzüge auf… Wir bauten vielleicht keine Taverne der Legenden, aber wir waren mindestens genauso stolz auf unser glanzvolles Geheimnis. Seltsamerweise wurden wir nie richtig „fertig“. Es gab keinen dieser magischen Momente, in denen letzte Nägel eingeschlagen oder erste Laternen entzündet wurden. Als die große Stunde gekommen war, atmeten wir durch und sahen uns um. Eine Zeile aus unserem Lieblingslied brachte es auf den Punkt: „Wir durchkreuzten viele Meere auf der Suche nach uns`rem Heim“. Wir verstanden, dass wir alle genauso an diesen Punkt gelangt waren. Das war jetzt unser Heim.

Aber setzten wir uns jetzt etwa in unserem Baumhaus zur Ruhe und kehrten der Sea of Thieves des Rücken? Nichts könnte weiter entfernt von der Wahrheit sein! Merrick suchte auch weiterhin die Seeposten auf. Deadshot Charlotte kehrte auf ihren Posten im Lone Cove zurück und nahm auch weiterhin Fracht für den Handelsbund an. Wir anderen würden weiterhin über die Ozeane segeln, unsere Nase in unbekannte Dinge stecken und uns in jeglicher Hinsicht völlig übernehmen. Aber wann immer uns nun der Sinn nach Geselligkeit stand - um gemeinsam zu lachen, zu musizieren oder zu segeln - so wussten wir, wo wir unsere Freunde finden würden.

(Das letzte Kapitel dieses Logbuchs fehlt. Jemand scheint die Seiten vorsichtig herausgetrennt zu haben…)

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Die Legende von Glitterbeard

He da, mein Freund! Ich heiße Glitterbeard. Vermutlich hast du hier und da einige meiner Logbücher gefunden. Wenn du ihren Hinweisen gefolgt bist, um die Tür zu öffnen, bravo! Auf dem Platz, auf dem du jetzt stehst, stand mal unser geheimes Baumhaus! Für mich und meine Freunde hatte es eine große Bedeutung. Es war für uns wie ein Zuhause… Nein viel mehr noch. Es wurde zu einem Monument unserer Zusammengehörigkeit, das verdeutlichte, dass selbst auf der wilden Sea of Thieves wir uns als Fremde begegnen und uns als Freunde trennen. Freunde, die zusammen spielen oder singen, miteinander witzeln oder einfach füreinander da sind. Wir sind Piraten, klar, aber wir sind auch Menschen. Wir sollten uns nicht vor dieser Wahrheit scheuen. Mit der Zeit kamen immer mehr Freunde und Familienmitglieder zu uns. Ich freute ich, sie einladen zu können und mit ihnen den Spaß zu teilen, den ich hier habe. Yvonne, Dr. Dad, Lizard, Bean Pole, Freeboat, Christian, Nathan und Rhonnie-Ann… Einige fanden es amüsant, dass ich ein Pirat war, aber alle konnten reinkommen, wann immer sie wollten. Egal unter welcher Flagge du segelst oder welchen Kurs du setzt, ich hoffe, dass deine Tage gefüllt sein werden mit Freude, Kameradschaft, Wärme, Musik und Liebe so wie meine. Meine Zeit auf See geht zu Ende. Aber wenn du das hier liest, dann hoffe ich, dass du den Geist dieses Ortes bewahrst. Finde neue Freunde und verrate ihnen meine Geheimnisse, um eure Bindung zu festigen.