Cleo - A Pirate's Tale Test

Cleo - A Pirate's Tale Test

Ach waren das noch Zeiten damals ...

Dies ist nicht die Geschichte eines kleinen Jungens vor langer, langer Zeit. Es ist nicht eine Geschichte aus einer besseren Zeit, einer einfacheren Zeit. Einer Zeit, in der die größte Sorge noch war, dass am Wochenende der Bolzplatz im Dorf von den Idioten aus Neureut belegt war, weil ihrer einfach nur lahm war. Einem Bolzplatz, auf dem besagter Junge nach dem vorherigen Besuch am Kiosk nebenan mit seinen Freunden hineilte. Einem Kiosk, wo man für eine spitze Mark noch ein ganzes Füllhorn an ausgewählten Süßigkeiten erhielt, nicht schön aber effizient eingepackt in weißem Krepppapier. Von Krepppapier, verklebt durch die harmonische Verschmelzung von Zucker und Schweiß in der dreckigen Hosen, welches die Mutter fluchend aus der Waschmaschine kratzte und mit Stubenarrest belohnte. Von einem Stubenarrest, der für den Jungen nicht wirklich eine Bestrafung war dank seiner 486er Höllenmaschine. Von einem 486er, welcher den kleinen Jungen in phantasievolle Pixelwelten entführte. Von Pixelwelten wie Monkey Islands, Loom, King's Quest, Space Quest oder auch Day of the Tentacle.
 
Dieses Spiel handelt in keinster Weise von solch einer Geschichte, aber doch gerade deswegen in einer gewissen Art und Weise schon.

Es geht logischerweise um all das überhaupt nicht in dem 2D Retro Adventure Cleo - A Pirate's Tale. Noch nicht mal um einen Jungen, denn die Hauptcharakterin ist ein kleines freches Mädchen. Aber es geht darum, wie man sich in den ersten Minuten vor dem Monitor beim Spielen dieses Spiels fühlt: Wieder zurückversetzt in die schöne Jugend in den 90er Jahren. Einer unbeschwerten Zeit. Mit einer Tasse heißer Schokolade an kalten Wintertagen an Adventure Klassikern rätselnd vor dem guten alten Röhrenmonitor. Ja, wir werden alle alt...

Wir spielen die namensgebende Cleo, ein 14-jähriges zynisches Mädchen, welche mit ihrem Vater ein sich immer wiederholendes Leben in einer Bar führt. Sie weiß alles über die epischen Abenteuer der Piratenlegende Kapitän Cabeca, aber in ihrem Alltag ist sie nur von langweiligen Fischern und erfolglosen Piraten umgeben, die am Tresen herumhängen.

Doch als Cleo ein seltsames Piraten-Logbuch findet und einen Geist sieht, der ihr geheimnisvolle Hinweise gibt, wird ihr langweiliges Leben auf den Kopf gestellt. Sie stürzt sich in ein gefährliches Abenteuer und findet sich in einer Welt voller Lügen, Betrug, Gier und schlechtem Atem wieder - der Welt der Piraten - und die meisten von ihnen sind hinter derselben Sache her:

DEN SCHATZ DER EWIGEN ERINNERUNG.

Cleo - A Pirate's Tale Test

 

Mit Liebe zum Detail

Ich möchte übrigens gerne glauben, dass der Entwickler von Cleo das oben in der Einleitung beschriebene Gefühl auch ständig beim Programmieren im Hinterkopf hatte. Die unbeschwerte Zeit als Kind oder Jugendlicher und der Spaß mit den Klassikern von Ron Gilbert, Tim Schafer, Steve Purcell oder den Two Guys from Andromeda. Denn das Gefühl vermittelt auf jeden Fall das Spiel bei mir, weswegen es alleine deswegen schon mein Herz gewonnen hatte weit vor dem Release an sich.

Und auch im Spiel sind mehr als genug Hinweise an die damaligen Spiele versteckt. Sei es, dass ein durchaus bekannt anmutendes Tentakel in schön detaillierter Pixel-Art Grafik das Schiff angreift. Oder auch eine berüchtigte Tavernen Szene mit einem im Kronleuchter steckendem Piraten, bei dem man sich direkt die Frage stellt, ob der bereits seit 1990 da oben durchgehend hängt. Mehr als einmal werden Zeitzeugen aufgrund solcher Details wissend schmunzeln ohne jetzt zu viel verraten zu wollen.

Ich rede mir auch gerne ein, dass der Entwickler irgendwann mal Sea of Thieves gespielt hat zwischendurch. Denn über eine Parallele zu dem "nautischen Nebel", der nur mit einem speziellen "Irrlicht" zu durchfahren ist, zu unserem guten alten Teufelsschleier mit seinem Schleierbann Artefakt bis hin zu dem in einen sprechenden Papagei verwandelten Avery Allwick (Skelly anyone?) könnte man die eine oder andere Parallele erkennen. Auch das Phänomen von plötzlich auftauchenden Skeletten beim Ausbuddeln von Schätzen kennen wir wohl nur zu gut.

Ich bin mit den Spielen der 90er Jahre aufgewachsen und habe vor allem schräge Abenteuerspiele wie Sam & Max, Day Of The Tentacle und Monkey Island geliebt. Deshalb wollte ich den Charme, die Unschuld, den Humor und die Verrücktheit dieser alten Spiele in mein eigenes Spiel bringen. Ich arbeite alleine an diesem Projekt, d.h. ich erstelle die Artworks, Animationen, das Coding, die Musik und die meisten Soundeffekte ganz alleine.

Chris - cleogame.com

 

Fine ... I'll do it myself

Für mich am beeindruckendsten ist allerdings der Fakt, dass dieses Spielchen nur von einem einzigen Entwickler auf die Beine gestellt wurde. Diese Hommage an vergangene 2D Grafik Adventure ist ein Soloprojekt von nur einem Entwickler namens Chris, welcher von der Programmierung über das generelle Game Design bis hin zu der Musikerstellung sich alles selbst beigebracht und erstellt hat. Alleine dafür schon einmal Chapeau an der Stelle! Einzig die wirklich sehr guten Synchronsprecher hat er zusätzlich mit ins Boot geholt, was sich auch mehr als auszahlt. Bis auf ein oder zwei Ausnahmen passen alle Stimmen perfekt zu den Charakteren und klingen auch sehr professionell. Das Spiel ist übrigens sowohl im Englischen als auch im Deutschen vollvertont.

Die Rätsel sind fast alle fair und auch logisch aufgebaut. Nur an einer Stelle blieb ich ehrlich gesagt etwas länger hängen als normal (Stichwort Leuchtturm). Ansonsten gab es keine unfaire Stellen, was eigentlich für jedes Adventure schon mal eine Auszeichnung an sich ist. Erfahrene Rätselfreunde benötigen vielleicht so um die 5-6 Stunden. Weniger natürlich, wenn Ihr die tollen Dialoge im Schnelldurchlauf durchklickt, aber dann seid Ihr auch eigentlich unwürdig solch ein Spiel zu besitzen. Dann entgehen Euch aber auch ziemlich viele sehr lustige Eastereggs, die ich an dieser Stelle nicht spoilern möchte.

Cleo - A Pirate's Tale Test

 

Mein persönliches Highlight

Ein Element dieses Spieles hätte ich so gerne auch in Sea of Thieves: Das teilweise süchtig machende Kartenwürfelspiel namens Kraken Fodder! Es ist ein witziges kleines Minispielchen, was aber auch wirklich gut gemacht ist. Nur zu gern würde ich das irgendwie in naher Zukunft als Stand-Alone Spielchen sehen, da es echt Laune macht. Auch bedauere ich es sehr, erst nach dem Kickstarter-Zeitraum von diesem Projekt erfahren zu haben, denn dann hätte ich im Nachhinein extrem gerne das Projekt unterstützt und dadurch eine physische Variante des Kartenspiels erhalten. Wäre ideal für das nächste SAU Sommerfest gewesen 😉

All diese kleinen Details, die Anspielungen, dieses Kartenspiel, die interessante Story sowie die tollen Sprecher machen Cleo - A Pirate's Tale zu einer echten kleinen Perle unter all den tausenden Indie Spielen auf Steam (oder GOG). Ich kann es Euch nur wärmsten empfehlen. Es ist ideal für die kalten Wintertage zwischen den Feiertagen beispielsweise. Macht Euch eine lecker heiße Schokolade, kuschelt Euch in die Lieblingsdecke ein und schwelkt mit dem Spiel in Erinnerungen.

Cleo - A Pirate's Tale Test

Es gibt tatsächlich nur ein paar Kritikpunkte die ich persönlich habe. So liebevoll gerade manche Innenräume auch gezeichnet sind, so undetailliert ist teilweise die eine oder andere Insel im Außenbereich. Gerade die erste größere Insel, auf welche man im Spielverlauf gelangt, wirkt irgendwie etwas unfertig. Wobei das schon Jammern auf hohem Niveau teilweise natürlich ist.

Dazu ist das Benutzen der verschiedenen Bücher manchmal etwas fummelig und wohl schon auf eine eventuelle Konsolenportierung vorbereitet. Dennoch ist es etwas mühselig immer erst das entsprechende Buch im Inventar auswählen zu müssen um es dann mit TAB zu benutzen. Ich weiß nicht wie oft ich "aus Versehen" in das Cocktail-Rezeptbuch gelangt bin anstatt in die Notizen ... und ob das Leben mir damit vielleicht sogar irgendwas in Richtung "du alter Alkoholiker" sagen möchte.

Auch könnte die Spielzeit ein Tückschen länger sein, wobei man da in aller Fairness nochmal auf den Punkt mit "Solo-Entwickler" hinweisen sollte. Daher geht das denk ich mal dann unter dem Strich doch für das Preis-Leistungsverhältnis völlig in Ordnung. Auch war ich als Adventure-Suchti wohl etwas im Vorteil und daher schneller als der Otto-Normal-Rätsler.

 

Wer Piratenspiele mag, oder in den 90er Jahren mit den klassischen Adventures aufgewachsen ist, der wird diese Reise in die guten alten Zeiten lieben und über die kleineren Kritikpunkte lächelnd hinwegsehen können. Für ein Soloprojekt ist es auf jeden Fall eine immens beeindruckende Leistung. Ich kann nur hoffen, dass es sich für Chris auch lohnt und ein zweites Spiel folgt. Eventuell das nächste Mal eine Space Quest Hommage? Träumen darf man ja noch.

UND ICH WILL UNBEDINGT SO EIN KRAKEN FODDER SPIELSET IN ECHT!

Hoffe das wird irgendwie als Merchandise mal verkauft. Das würde epische Schlachten auf dem SAU Sommerfest geben mit viel Grog als Spieleinsatz!

rod

rOdbLa1nE

In keinster Weise ernsthafter Journalist, egal wie oft er sich das einredet

Ihr wollt das Spiel mal antesten?
 
Für unentschlossene Leichtmatrosen hat Chris in guter alter Tradition sogar eine spielbare Demo erstellt. Alle anderen heldenhaften Piraten finden das Spiel ansonsten einfach auf Steam oder auf GOG und kaufen gleich mehrere Exemplare des Spiels!
Cleo - A Pirate's Tale Test